Suchen Nachname: Vorname: Deutsch English Nederlands Espanól

Erweiterte Suche

Nachnamen
Orte
Auswertungen
Quellen
Friedhöfe
Grabsteine
Fotos
Notizen
Dokumente
Texte
Aufbewahrungsorte
Lesezeichen

Aktuelles
Daten und Jahrestage
Statistik
Kontakt

Anmelden
Nur für Bearbeiter


2855518

Böhmer, Heinrich *Joseph

männlich 1807 - 1868  (61 Jahre)


Angaben zur Person    |    Quellen    |    Ereignis-Karte    |    Alles    |    PDF

  • Name Böhmer, Heinrich *Joseph 
    Spitzname Henry J. 
    Geboren 16 Nov 1807  Vechta / Vec., Vechta, VEC, NI, D Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [1, 2
    Getauft 17 Nov 1807  Vechta / Vec., Vechta, VEC, NI, D Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Geschlecht männlich 
    Biographie vgl.: Honkomp, Stephan: Heinrich Joseph Boehmer. Die Auswanderung nach Amerika im Jahre 1833. Steinfelder Lehrer wurde Unternehmer, Friedensrichter und Abgeordneter im Repräsentantenhaus von Ohio. In: Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 1998 (1997), S. 91-109 
    Auswanderung 11 Okt 1833  Bremerhaven / Brh., Bremerhaven, HB, D Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [3, 4
    1833 im Verzeichnis der aus dem Amte Steinfeld nach America ausgewanderten Individuen 
    • Nahm 300 Taler mit sich
    Biographie Dez 1833  Cincinnati, Hamilton, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [5, 6
    Reisebeschreibung 
    • Liebe Mutter, Liebe Geschwister,

      durch einen Bekannten, der gerade von Baltimore gekommen ist, habe ich heute Vormittag erfahren, dass der Kapitän, dem ich einen Brief für Zuhause mitgegeben habe, sich nicht auf den direkten Weg nach Deutschland machen wird, sondern Anweisungen seiner Reederei erhalten hat, eine Reise nach Südamerika zu machen. Besorgt darüber, dass dieser erste Brief sehr spät oder auch gar nicht ankommen wird, schreibe ich schnell einen zweiten, in dem das wiederholt wird, was bereits im ersten steht.
      Am 11. Oktober haben wir mit dem Schiff „Leontine“ bei schönem Wetter und mit günstigen Winden in Bremen abgelegt. Schon in der folgenden Nacht, kurz bevor unser Vaterland außer Sicht war und wir eine Insel passierten, nahm der Wind zu, der zum 13. Oktober zu einem schweren Sturm anwuchs. Glücklicherweise nahm der Sturm tags darauf wieder ab und drehte auf Nordwest, so dass wir den Kanal durchfahren konnten. Um 8 Uhr abends (14. Oktober) befanden wir uns in der Höhe von Dover. Das weit strahlende Licht des Leuchtturms war vom Schiff aus ein wirklich schöner Anblick. Die Leuchttürme zeigten uns den sicheren Weg. Am anderen Morgen sahen wir die französische und englische Küste, nachmittags kam am Ende des Kanals die Insel Wight genau vor uns in Sicht. Wegen der widrigen Winde mussten wir bis zum 22. Oktober im Hafen von Ryde bleiben. Ryde wird in der Inselsprache als Reith ausgesprochen. Wir hatten ein bisschen Zeit, die Insel kennen zu lernen und sahen sehr viel. Für das wenige, was wir dabei konsumierten, haben wir aber sehr viel bezahlt. Ein kleiner Steinkrug Bier kostete uns 12 Pfennig. Ein Kaffee ebenfalls 12 Pfennig und ein kleiner Schnaps 3 Pfennig. Diese schrecklich hohen Preise überzeugten uns schnell, dass die Engländer uns hier übers Ohr hauen wollten und es besser war, so schnell wie möglich zum Schiff zurückzukehren. Wir sollten noch weiter den englischen Geschäftssinn kennen lernen, denn an dem Abend, als wir zum Schiff zurückkehrten, verlangte der Steuermann des Bootes von uns ein Mehrfaches an Fahrpreis, als anfangs vereinbart worden war. Da wir nicht in Ryde bleiben wollten, waren wir gezwungen, ihm für die recht kurze Überfahrt zum Schiff 10 Mark zu zahlen. Wenn man meinen Ratschlag befolgt hätte, hätten wir den Bootsinhaber mit seinem Stolz und seiner Prahlerei allein gelassen und hätten bis zum anderen Morgen gewartet. Dann hätten wir für ein oder zwei Pfennig übergesetzt werden können, oder aber unser Schiff hätte ein Boot nach uns geschickt, und das hätte nichts gekostet. Und nebenbei, der Unfall, der uns dann passierte, wäre nicht geschehen. Aber unerforschlich sind die Wege der Vorsehung. Agnes von der Embse, die allein sicher ein bisschen Erfolg bei ihrem Besuch in Ryde gehabt hat, machte alle Anstalten, so schnell wie möglich zum Schiff zurückzukehren, eingehüllt in ihrem Mantel saß sie zwischen Frau F. und Frau W. Das Benehmen des Bootsführers war uns allen widerwärtig. Wir alle schauten vor uns hin, bis wir unser Schiff „Leontine“ erreichten. Dort ereignete sich das Missgeschick. Gerade als ich die Bordwand hochklettern wollte, hörte ich jemanden schreien. Auch Agnes schrie. Was war passiert? In der anbrechenden Dunkelheit und bei zunehmender See hatten wir nichts bemerkt. Der Großbaum auf dem Boot hatte sich losgerissen und war herumgewirbelt. Der Bootsführer hatte es kommen sehen und war dem Balken ausgewichen, der Großbaum wirbelte aber weiter herum, und das Ende hatte u.a. Agnes an der Brust getroffen. Ihr rechtes Schlüsselbein war gebrochen. Danach brach die gesamte Takelage des Bootes zusammen, wobei weitere Personen verletzt wurden. Ich kletterte zurück ins Boot, um zu sehen, wer Hilfe brauchte. Wir besorgten uns Rettungswesten und fuhren zurück nach Ryde, der Bootsführer brachte uns zu einem Pub, wo wenig später auch ein Arzt ankam und Agnes Schulter geschickt bandagierte. Abermals lernten wir die Inselbewohner kennen, wie sie Menschen ausnutzten, die wegen vorliegender Umstände auf deren Hilfe gezwungenermaßen angewiesen sind. Wir versuchten so schnell wie möglich dort wegzukommen, mussten uns dort aber 35 Stunden aufhalten. Wir waren am 23. Oktober um 9 Uhr abends im Pub angekommen und verließen ihn am 25. Oktober um 8 Uhr morgens und mussten zusätzlich noch 28 Mark für den Schaden am Boot zahlen. Der Doktor verlangte ein Pfund Sterling und ein paar Shilling, war aber sehr menschlich und nahm nur ein Pfund Sterling. Über die englischen Kutter, die kleinen Boote, über die Dörfer und Städte, wie z.B. Portsmouth und die vielen anderen Dinge, die wir im Kanal und auf der Insel Wight sahen, könnte man ein großes Buch schreiben. Wie auch immer - ich hatte dafür keine Zeit, und außerdem wäre das für Euch auch nicht interessant.
      Doch zurück zu unserer Reise. Wie eben beschrieben, kamen wir am 25. Oktober wieder an Bord unseres Schiffes. Für Agnes war ein Raum besonders hergerichtet, wo sie nicht allein war und stets vorzüglich beaufsichtigt werden konnte. Wir besuchten sie dabei sehr oft. Am Nachmittag kam ein vortrefflicher Wind auf, und wir segelten ab. In der folgenden Nacht kamen wir plötzlich in den schwersten Sturm. Die Seemänner konnten nicht schnell genug die Segel einholen. Die Gefahr war für uns nicht so groß, bis der Steuermann ins Zwischendeck rief: „Junge Männer an Deck zum Segel einholen, wir sind in Gefahr“. Die Gefahr für uns lag darin, dass bei der nächtlichen Dunkelheit von uns Männern niemand wusste, was genau zu tun war. Nach einigen Stunden legte sich der Sturm aber und in den nächsten 10 Tagen segelten wir ohne besondere Ereignisse der neuen Welt entgegen. Am 5. November starb morgens um 4 Uhr das jüngste Kind von Elisabeth Henke. Die Leiche wurde in ein Segeltuch gebunden und um 10 Uhr über Bord dem Wassergrab übergeben. Einen solch harten Sturm, wie wir ihn in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober erlebten, hatten wir später nicht mehr. Das Wetter war aber sehr kalt, rauh und nass. Wir befanden uns im Nordatlantik. Die Winde waren sehr widrig, so dass wir regelrecht durchgeschaukelt wurden. Am 24. November sahen wir die Küste Neufundlands, wo das schöne Schiff Henrich Gork, welches Bremen am 25. Oktober verlassen hatte, uns überholte. Am Abend des 2. Dezembers starb um 6 Uhr der Sohn von Mr. Bambach an Schwindsucht, an der er schon seit langem litt. Am folgenden Tag kamen vortreffliche Winde auf, wobei wir 100 deutsche Meilen in 24 Stunden zurücklegten, und am 7. Dezember erreichten wir die Chesapeake Bucht. Wir segelten abends bei starkem Wind und Regen in die Bucht und sahen zur linken Cape Henry und zur rechten Cape Charles. Wir sahen außerdem viele Lichter der Leuchttürme in der gefährlichen Bucht. Nach einer kurzen Fahrt in die Bucht warfen wir den Anker, denn der Lotse traute sich vorerst nicht weiter. Das sollte unser Glück sein, der Regen hörte auf, der neue Tag brach an und wir sahen, dass wir sehr nahe an die Küste gekommen waren. Ungeachtet dessen schimpfte unser Kapitän den unerfahrenen Lotsen aus, der uns kurz vor dem Ende der langen Reise auf das Ufer hätte auflaufen lassen. Die Sicht auf das Land mit dem schönen Namen „Paradies“ war dennoch ein schöner Anblick für uns Passagiere. Am 8. Dezember mussten wir erneut vor Anker gehen, denn der Wind war erneut widrig. Am anderen Tag segelten wir weiter und erreichten am 10. Dezember eine Vorstadt von Baltimore. Agnes war schon seit 14 Tagen wieder vollkommen gesund, und wir waren froh, endlich den Fuß auf amerikanischen Boden zu setzen, auch wenn unser erster Eindruck von Baltimore oder vielmehr der Vorstadt nicht gerade erquickend war.
      Ich möchte aber noch ein bisschen über unsere Seereise schreiben. Von dem, was ich geschrieben habe, werdet ihr folgern können, dass unsere Reise nicht frei war von Mühen, Kummer, Sorgen und Trauer. Wind, Wetter, mangelnder Komfort und die schlechte Behandlung an Bord trugen ihren Teil zum unbehaglichen Leben auf dem Schiff bei. Sobald wir unser Schiff in Bremen erreicht hatten, machten wir uns darüber klar, was uns erwarten sollte.. Erstaunte und aufgeregte Menschen kamen an, Vorschriften wurden herausgegeben. „Alle Pistolen, Gewehre und andere Waffen sind sofort abzugeben“, hieß eine dieser Anordnungen. Ein aufgeregtes Treiben überall. Wie Beute von Räubern wurden unsere Habseligkeiten rücksichtslos in die Schiffe geworfen. Wir Passagiere wurden aufgeteilt in Gruppen von elf Personen. Sechs schliefen in den unteren Kojen und fünf in den oberen Kojen eines Schlafbunks. Alle sollten ihre kleinen Kästen, in denen die Kleider zum Wechseln aufbewahrt werden sollten, im Zwischendeck unterbringen. Die großen Truhen sollten in den unteren Schiffsräumen verstaut werden. Nachdem der Kapitän diese Regeln ausgegeben hatte, kam ein unbeschreibliches Durcheinander zustande. Der erste sprang los, um in die besten Schlafbunks zu kommen. Ein zweiter suchte gute Leute, mit denen er in den Schlafbunks zusammenpasste. Ein dritter bemühte sich, seine Kleiderkisten zu finden, die rücksichtslos ins Schiff geworfen worden waren und so weiter... Unser Zwischendeck war ein miserables kleines Loch von nur 25 Fuß im Quadrat und hatte eine Höhe von knapp 5 1/2 Fuß. Die Deckenbalken hingen noch niedriger im Raum. Von beiden Seiten wurden mindestens 6 Fuß für die Kojen benötigt, die übereinander standen. So blieben in der Mitte des Raumes noch 12 Fuß im Quadrat frei, wo allerdings auch noch einige Kisten herumstanden. Man kann sich vorstellen, was für ein erbärmlicher Raum das Zwischendeck für uns Passagiere war, wenn alle 83 Passagiere sich dort aufhalten mussten. An eine Vorkehrung zur Belüftung der Räume war auch nicht gedacht worden. Eine kleine Öffnung, die man hätte bei schlechter Luft öffnen und schließen können, hätte ausgereicht. Nur ein bisschen Essig diente zur Desinfizierung - das aber auch nur zum Anfang und zum Ende der Seereise. Im ganzen Zwischendeck war nicht ein einziges Fenster, und bei stürmischem Wetter waren auch die Eingangstüren geschlossen, und uns umgab eine Dunkelheit wie in einem unterirdischen Gefängnis. Dem hätte leicht abgeholfen werden können, wenn man uns erlaubt hätte, eine Laterne anzuzünden. Aber das war uns wohl wegen der Brandgefahr verboten worden, und ich glaubte bald, wir würden im Dunkeln während der langen Abende und Nächte der Fahrt verrückt werden. Ich könnte mit Sicherheit voraussagen, dass alle möglichen Arten von Unordnung und Bösartigkeiten ausgebrochen wären.
      Schon in der ersten Nacht an Deck bewahrheitete sich meine Vorahnung. Ein Kandidat für ein evangelisches Kirchenamt und ein Schullehrer kamen leicht berauscht an Bord, um ihren Freunden auf Wiedersehen zu sagen. Sie kamen mit ihren ebenfalls nicht mehr nüchternen Kameraden in ein Streitgespräch, das in einem Faustkampf endete. Das einzig Gute daran für uns an Bord war, dass wir bei einer erneuten Nachfrage einiger Passagiere eine kleine Schiffslampe mit Öl bekamen und bis 8 Uhr die Erlaubnis erhielten, Licht anzuhaben. Warum uns das bei meiner ersten Anfrage nicht gewährt wurde, weiß ich nicht, weil in fast allen Kabinen der Seeleute Lampen brannten. Immerhin waren im Zwischendeck sehr viele Kinder untergebracht, in den besseren Kabinen kaum. Bislang hatte dies gegenüber dem Kapitän noch keiner bemängelt. Meiner Meinung nach sollte eine Laterne die ganz Nacht durch im Zwischendeck brennen, so dass seekranke Passagiere und Mütter mit Kindern sich bei Licht orientieren könnten beziehungsweise sich um die Kleinen besser kümmern könnten. Außerdem könnten sich bei Sturm die Passagiere verletzen, denn sie nehmen auf den Kisten Platz, die bei schlechtem Wetter von einer Schiffseite zur anderen geworfen werden. Die Luft im Zwischendeck, insbesondere zu Beginn der Reise, als viele von uns seekrank und einige so schwach wurden, dass sie nicht einmal ihre Kojen verlassen konnten, war sehr schlecht. Außerdem wurde nachts der Nachttopf benutzt, der unverschlossen war und unerträglich stank. Von Ungeziefer und dem Dreck auf dem Schiff ganz zu schweigen. Wenn dann einmal ein armer Passagier nachfragte, wann das Schiffspersonal an eine Säuberung des Schiffes denkt, wurde man jedes Mal daran erinnert, dass wir Passagiere keine Ansprüche zu stellen hatten, denn sobald das Geld für die Schiffspassage gezahlt ist, kümmert sich keiner mehr um die Passagiere, ob sie an Hunger oder an Schmutz sterben. Mütter mit Säuglingen konnten diese nicht so ernähren, wie man es zu Hause gewohnt war. Viele wesentliche Nahrungselemente für Kinder fehlten in der Schiffskombüse, und man musste sich mit Milch und Zucker zufrieden geben. Viele, die an Bord waren, hatten nicht bis ins Letzte vorgesorgt und kamen zu spät dahinter, daß ihre Gesundheit und die der Kinder besonders stark gefährdet war. Ein schlimmes Beispiel dafür war das, was dem Kind von E. Henke passierte, wie ich vorhin bereits erwähnte. Wenn unser Schiff statt mit Menschen mit Vieh beladen worden wäre, unser Kapitän hätte sicherlich dem Zwischendeck öfters seinen Besuch zur Überprüfung der Gesundheit der Ladung abgestattet, als er sich um uns kümmerte. Ein Mann aus dem Rheinland, der von der Seekrankheit schrecklich heimgesucht und zugleich 14 Tage lang an Verstopfung litt, wollte eine Flasche Wein kaufen, um auf diese Weise sein Problem zu lösen. Er wollte auch gut bezahlen, bekam aber keine Flasche, obwohl genug Wein an Bord war. Ein anderer hatte bereits zum zweitenmal starke Magenschmerzen und bat um ein paar Tropfen Medizin. Sie wurde ihm mit der Begründung verweigert: „Dann isst er unseren ganzen Medizin-Kasten leer“. Und als er um ein paar Löffel heiße Suppe bat, die in den besseren Kabinen serviert wurde, sagte man ihm, dass er sich die Suppe selbst hätte mitbringen sollen. Ebenso am Abend des 2. Dezembers, als der Sohn der Familie Bambach starb. Der Junge lag bereits seit einigen Tagen bewusstlos in der Koje. Die Eltern baten um ein wenig Öl für die Laterne, damit man sich um den Sohn kümmern könnte. Sie wurden von hier nach dort geschickt. Aber erst nach langer Zeit wurde ihm von einem Mitreisenden aus der Kabinenklasse, es war Herr Ballenhage, Öl gegeben. Als die Eltern aber zurückkamen, war ihr Sohn tot. Etwas später schimpfte der Kapitän den Steward aus, weil zuviel Kartoffeln geschält waren und uns auch zuviel Fleisch serviert wurde. Wir bekamen aber gerade einmal 60 Gramm sehr mageres Fleisch, und ich glaube, dass das Fleisch schon bei einer früheren Seereise nach Amerika an Bord gewesen ist. Uns Passagieren wurde auch nicht erlaubt, vom Koch nicht mehr gebrauchte glühende Kohlen zum Pfannekuchenbacken zu benutzen. Er jagte uns weg und schrie uns Schimpfworte hinterher. Ich könnte Seiten füllen, wenn ich ins Detail gehen würde und über die rauhe Behandlung und die Unmenschlichkeit unseres Kapitäns Johnson, einem gebürtigen Schweden, berichten würde.
      Sicher wäre dieser Brief ohne all diese Vorfälle nicht so lang geworden. Viele werden daher sagen, es hätte gereicht, wenn ich als Passagier gesagt hätte, ob die Reise nun gut oder schlecht war. Kurz gesagt: Ich hoffe, dass der eine oder andere, der die Reise über den Ozean noch machen will, hierdurch vorsichtiger wird. Ich möchte besonders auf folgendes hinweisen: Verlasst Euch nicht auf die Versprechungen der Passagenverkäufer oder Schiffsgesellschaften. Lasst Euch nicht irreleiten von der Prahlerei in den gedruckten Pamphleten. Die Ausdrucksweise der Reisebedingungen ist sehr allgemein gehalten, so dass der Passagier hieraus später auch keine rechtlichen Ansprüche stellen kann. Viele verschiedene Lebensmittel wurden in Anzeigen angekündigt. Aber merkt euch doch einmal, wie oft ihr an Bord Kartoffeln, Fleisch, Reis in der Woche serviert bekommen habt. An Bord kann man daran nichts ändern. Die ganze Überfahrt gab es den ersten Tag gesalzenes Pökelfleisch und Griesbrei und am zweiten Tag Griesbrei und gesalzenes Pökelfleisch. Wenn du nicht damit zufrieden bist, wirst du noch schlechter behandelt. Auf See kann der Kapitän das Gesetz und seine Rechte auf seine Art auslegen. Ich habe hier mit vielen deutschen Auswanderern gesprochen, die mit der Versorgung an Bord nicht zufrieden waren, und wenn die einen auch mehr Fleisch oder Kartoffeln hatten, so wurden andere wichtige Lebensmittel dafür zurückgehalten, die wiederum das Essen sicherlich schmackhafter gemacht hätten. Denjenigen, die nach Amerika auswandern wollen, sei gesagt, keine schweren Kisten, Schränke, Betten oder Stühle mitzubringen, denn diese kann man sehr billig auf den täglichen Auktionen in Baltimore oder Cincinnati ersteigern. Sicher sind einige da, die etwas anderes schreiben, aber ich weiß mit Sicherheit, daß diese hier selbst ohne eigenes Mobiliar und Geld angekommen sind. Und es ist weitaus schwieriger, sich mit geliehenem Geld das Nötigste zu kaufen, um hier klarzukommen. Aus diesem Grund sind diese Leute dafür, die Sachen aus Europa mitzubringen. Wollsachen, Leinensachen und andere Kleidungsstücke sollte man aber mitbringen. Packt alle Dinge sorgsam ein und verschließt die Kisten gut. Auch wenn unsere Mitreisenden vernünftige Leute waren, so sollen einige Sachen doch gestohlen worden sein.
      Wer einmal auswandern will, der sollte sich, um seinen Durst zu stillen, besser selbst versorgen, denn das Wasser an Bord wird mit der Zeit schlecht und man zieht sich dabei schnell eine weitere Darmkrankheit zu. Tee und Kaffee ließen auch zu wünschen übrig. Das Kaffeewasser war nicht ganz so schlimm. Dafür aber das Teewasser, das für uns gekocht oder nur angewärmt wurde. Es war meistens so dreckig, als wenn vorher die Speckschwarte eines Schweins im Wasser gekocht worden war. Wir tranken dann keinen Tee, sondern taten Brot und Butter hinzu und nahmen das dann als Suppe zu uns. Keiner wollte mehr Tee trinken.
      Lasst Euch bloß nicht täuschen, dass man an Bord in aller Ruhe alles kochen kann, was man möchte. Die Möglichkeiten, selbst zu kochen, sind nämlich sehr karg und zudem sehr dreckig, so dass man beim Kochen seine Kleidung bis zur Unbrauchbarkeit beschmutzt. Ich bin von daher der Auffassung, dass auf fast allen Bremer Schiffen Kochgelegenheiten als unnötiger Ballast angesehen werden.
      Vielleicht ist es auch gar nicht notwendig, wenn ich sage, dass es besser ist im Sommer auszuwandern als im Winter. Einige mögen denken, dass es nur einen Kapitän Johnson gibt, so dass man den Beschimpfungen auf einem anderen Schiff entgeht und meine empfohlenen Vorkehrungen außer acht lassen kann. Ich habe mich aber bei vielen Deutschen hier in Amerika unterhalten, und die haben mir bestätigt, dass sie ebenso solche Behandlungen bei der Überfahrt erfahren haben. Viele meinten, dass das auch der Grund für die zahlreichen Erkrankungen gewesen sei, bevor sie in Amerika an Land gingen. Der Kontakt mit den Krankheitserregern muss schon auf den Schiffen stattgefunden haben. Catharina Stegemann war ein wenig krank, so als wenn sie seekrank wären. Agnes and Dina Wilberding waren schwerer erkrankt. Mich hatte es am schlimmsten erwischt, denn in den ersten fünf bis sechs Wochen hatte ich nur wenige Tage, an denen es mir gut ging. Danach ging´s mir besser, ich hatte wieder Appetit, und schon bald hatte ich meine Kräfte wieder, die ich hatte, bevor wir in Bremen aufs Schiff gingen.
      Für mich war das Leben auf dem Schiff sehr unangenehm. Während der gesamten Zeit, wo ich seekrank war, und das war ich fast die ganze Fahrt über, lag ich im Zwischendeck. Ich hatte nichts zu essen, außer der dürftigen Schiffsverpflegung, aber Agnes` Unfall auf der Insel Wight war zugleich Glück für uns. Wir hatten während der Tage ihres Krankenlagers einerseits mehr Raum in unserer Kajüte, wir konnten für ihren späteren Aufenthalt schon etwas vorsorgen. Dadurch bedingt, daß sie in den besseren Kabinenräumen gepflegt wurde, konnten wir uns in der Zeit ein wenig richtige Suppe und Pfannekuchen besorgen. Auf diese Weise wurde ich mit den Schiffsoffizieren, Stewards und den Passagieren in der Kabinenklasse bekannt, und ich durfte hin und wieder auch zur Nachtwache im Bereich der Kabinen schlafen, ohne dass man mich maßregelte. Ich genoss gar weitere Freiheiten und bekam hin und wieder von dem sehr freundlichen und gönnerhaften Herrn Theodor Westphal, einem Kaufmann aus Bremen, eine Flasche Wein. Agnes` Unfall war für uns also ein Glücksfall, weil wir für eine kurze Zeit das Zwischendeck verlassen konnten.
      Wie schon vorhin geschrieben, kamen wir am 10. Dezember in Baltimore an und gingen sofort an Land, wo wir als erstes B. Henke trafen, der sich in einer schlechten Verfassung, er hatte Wechselfieber, befand. Er war aber schon auf dem Wege der Besserung, war wegen seiner Krankheit aber nicht in der Lage, irgendetwas während dieser Jahreszeit zu verdienen. Auch F. W. Bohlen und G.H. Mehrmann begrüßten uns. Bohlen geht es nicht gut, das konnte man ihm ansehen, er kam ohne einen Taler nach Amerika und verdient sich seinen Unterhalt mit mühsamer Tagelohnarbeit. G.H. Mehrmann hat gesunde Kinder. Ihm geht es sichtlich besser, denn er hat eine geregelte Arbeit. Er empfing uns sehr freundlich und war sehr hilfsbereit. Mehrmann ging mit F.W. Bohlen in die Stadt, um für uns eine Bleibe zu finden. In der Zwischenzeit erzählte uns seine Ehefrau Katharina (geb. Escher) einige Dinge über unsere neue Heimat und von ihrem Bruder, der in der ersten Nacht getötet worden war. Sie sagte, ihr Bruder wäre mit einigen anderen Männern an Land gegangen. Er hatte ein wenig Geld dabei und kehrte in eine Taverne ein. Das war das Einzige, was seine Bekannten später aussagen konnten, als sie zum Schiff zurückkamen. Zwei Tage später wurde sein Leichnam im Hafenbecken ausgeraubt und erschlagen gefunden. Der Einwanderungsbehörde wurde dies angezeigt, dort hat man die Sache aber nicht weiterverfolgt, denn er wurde als Unfall eines Betrunkenen gewertet und an einem unbekannten Ort beerdigt. Inzwischen waren die anderen wieder zurückgekehrt, sie schimpften laut über boshafte junge Männer, die F.W. Bohlen die Pfeife aus dem Mund genommen hatten und ihn ins Gesicht geschlagen hatten, während sie auf das unerlaubte Pfeifenrauchen auf offener Straße hinwiesen. Hierbei ist zu bemerken, daß es für Männer hier unüblich ist, auf den Straßen Pfeifen im Mund zu haben. Junge und alte einheimische Männer kauen ihren sogenannten Kautabak oder rauchen ein Zigarre. Man sieht nur Frauen, besonders schwarze, die mit ihren Tonpfeifen in den Hauseingängen oder auf den Straßen herumstehen und rauchen. Später am Abend liefen Jungs durch die Straßen. Vor unserm Haus riefen sie laut „Feuer, Feuer“, aber in der ganzen Stadt war kein Zeichen von Feuer. Nach diesem kurzen Ereignis hatten wir genug gesehen und gehört und gingen zu unserm Schiff zurück. Das Erste, was wir am nächsten Morgen sahen, war eine Gruppe schwarzer und weißer Arbeiter, die um unser Schiff herumstanden. Alle wohl darauf aus, Geld zu verdienen. Ein erschütternder Anblick, wie ihr Euch vorstellen könnt, für uns Auswanderer, die doch hofften, in Amerika ihr tägliches Brot durch eine geregelte Arbeit zu verdienen, statt nur durch Tagelöhnerarbeiten.
      Am Nachmittag überprüfte ein Zollbeamter unsere Habseligkeiten sehr gewissenhaft. Kurz danach gingen wir zu der Wohnung, die wir uns in der Vorstadt gemietet hatten, und bis Sonntag verließen wir kaum das Haus, denn wir hatten genug zu tun, um unsere Sachen in Ordnung zu bringen. Am Sonntagnachmittag verließ ich das Haus zusammen mit einem Bekannten, um die Stadt zu erkunden. Das einzige, was mir dabei in guter Erinnerung blieb, waren die Straßenbengel, nicht nur schwarze, sondern auch weiße. Auf offener Straße pfefferten sie uns ungehindert mit Schneebällen. Diese Freiheit in Amerika macht im Vergleich zu der Ordentlichkeit in Europa keinen vorteilhaften Eindruck auf mich. Mir wurde jedenfalls gesagt, dass in der Stadt die Ordnung besser sei als in den Vororten, und ich muss sagen, dass das Durcheinander dort nicht so schlimm war. Ich kann mich bei meinem Rundgang zumindest nicht über einen Zwischenfall beklagen.
      Am gleichen Tag (15. Dezember) besuchten wir auch eine Reihe von Kirchen. Zuerst den Gottesdienst der Deutschen Kirche, danach besichtigten wir die Kathedrale, die zwar nicht groß ist, dafür aber sehr schön und sicher auch teuer war. Nachmittags hatte ich auch die Gelegenheit, einer Chorprobe in der Deutschen Kirche beizuwohnen. Das Quartett sang wunderschön, und die Choräle wurden auf den Punkt genau gesungen. Am Abend sahen wir die deutsch-englische Methodistenkirche. Die geräuschvolle, turbulente Verehrung der Methodisten gefiel mir nicht.. Sie rufen, schreien, umarmen sich. Ihr Benehmen kam mir recht albern vor. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie Menschen mit ein wenig gewisser Kultur einen Gottesdienst so feiern. Mehr davon später.
      Ein paar Tage später sahen wir zwei Schwarze, die tot am Galgen hingen. Ein Mann und eine Frau. Der Mann hatte ein neunjähriges Mädchen schwer verletzt, so dass es später daran starb. Die Frau hatte jemanden vergiftet.
      Die Leute sagen, Baltimore ist eine schöne, ordentliche Stadt mit 80.000 Einwohnern. Die Stadt hat viele schöne Gebäude, große, nette Kaufhäuser, ein bewundernswertes Gaslichtsystem und eine Menge von teuren Maschinen, die per Dampf betrieben werden. Wie auch immer, die Umgebung der Stadt gefiel mir nicht besonders. Nicht ein einziger ordentlicher Garten war zu sehen, obwohl überall genug Dung zu einem guten Anbau herumlag. Der Boden ist hier, soweit ich festgestellt habe, lehmig und steinig.
      Nachdem wir mit einigen Bekannten Erkundigungen eingezogen hatten, wie wir weiterreisen sollten, entschieden wir uns für eine Postkutsche als schnellstes Transportmittel nach Wheeling, wobei jedem erlaubt ist, eine Fracht mit 70 bis 80 Pfund Gepäck mitzunehmen. Das Fahrgeld, nebst Verpflegung, betrug 18 Dollar. Die Fahrt mit einem Frachtwaggon wäre billiger gewesen, sie hätte aber wesentlich mehr Zeit gebraucht und wir hätten uns auch noch selbst um Essen und Unterkunft sorgen müssen. Wir waren zwar schnell, sahen auf den 276 Meilen einiges von dem neuen Land. Erst zwei Tage vor Heiligabend verließen wir Baltimore, weil wir unsere Wäsche nicht früher trocken bekamen, und wir erreichten am 2. Weihnachtstag um vier Uhr morgens die Stadt Wheeling, die am Ohio-Fluß liegt.
      Ungeachtet dessen, kann ich keinem raten, mit der Postkutsche zu reisen. Für kranke Menschen oder kleine Kinder ist das nicht ratsam, denn wie die Kutscher bei Tag und Nacht fahren, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Die Pferde sind stets in vollem Galopp, während der Kutscher diese immer weiter antreibt. In der Kutsche wird man richtig nach vorn und hinten durchgeschüttelt, eine Unterhaltung oder eine ruhige Sicht auf die Landschaft ist überhaupt nicht möglich. Die Schnelligkeit, mit der wir diese Strecke zurücklegten, wird Euch verwundern. Es sei zusätzlich bemerkt, dass es einen ungeheuren Unterschied zwischen den herrlichen Straßen in Deutschland und den Straßen hier gibt.
      Eine Eisenbahnlinie verläuft von Baltimore bis Fredrickstown auf 65 Meilen. Diese Entfernung legten wir in sieben Stunden zurück, teilweise in Wagen, von Dampfmaschinen gezogen, und teilweise mit der Kutsche. Viele Straßen befinden sich im Bau. Es ist verblüffend, was hier schon alles im Auftrag der amerikanischen Regierung im Straßen- und Kanalbau geleistet worden ist. Über viele Meilen zwischen Baltimore und Fredrickstown verläuft die Bahnlinie durch tiefe Einschnitte in die Berge und über Brücken, die weite Schluchten überspannen. Die Berge sind so hoch, dass man schwindelig wird, wenn man zum Gipfel hochschaut. Die gleiche Art von Arbeit verwendet man hier auch auf den Straßenbau. Es wird auch sehr viel am Bau von Kanälen gearbeitet. Ich habe gesehen, wie Kanäle über Berge und durch Tunnel gebaut werden. In Cincinnati gab es Schleusen, die 6 m Höhenunterschied überwanden. Soviel wir auch die Leistung der Menschen hier in Amerika bewundern, umso enttäuschter waren wir über den schlechten Boden, den wir zwischen Baltimore und Wheeling sahen. Bis Cincinnati sahen wir nichts als Hügel und Berge, aber der Boden, der ein wenig lehmig war, scheint dort fruchtbarer zu sein. Wir haben hier aber noch nicht die großen Bäume gesehen, von denen uns in den Berichten vorgeschwärmt worden war. Die meisten Bäume, die wir bislang gesehen haben, sind so dünn wie die Beine eines Mannes. Und wenn hier irgendjemand davon spricht, dass das Gras sechs oder sieben Fuß hoch sein soll, dann muss er sich erneut getäuscht sehen, denn nur ein paar Grashalme sind höher als das Unterholz. Wir haben einige Bäume mit Früchten gesehen, auch mit wilden Beeren. Während die Früchte sehr süß schmeckten, waren die großen Beeren sehr bitter. Über Feld- und Gartenfrüchte und Gemüse kann ich noch nichts sagen, da ich noch keine eingesäten Felder begutachtet habe. Aber eines ist sicher, dass wir bis hierher noch kein flaches und ebenes Ackerland gesehen haben, und um die Städte und Dörfer herum, die wir alle zwei Stunden durchfuhren, sah das Land so wild aus, als wenn es niemanden gehört.
      Von Wheeling nach Cincinnati fuhren wir die 240 Meilen in drei Tagen auf einem Dampfschiff den Ohio Fluss herunter. Als wir dort ankamen, suchte ich Herrn Lucke auf, dem es hier ganz gut geht. Bei ihm haben wir einige Tage gewohnt. Auch Cincinnati ist eine ordentlich gebaute Stadt mit einigen netten Gebäuden, vor allem die katholische Kirche und die Priesterschule. Geht man nach dem Kalender von 1832, so hat Cincinnati 26.000 Einwohner, die an einer gedeihlichen Entwicklung beteiligt sind. Hier sieht man Dampf- und Kanalboote kommen und gehen, Cincinnati ist allerdings nicht vergleichbar mit Baltimore. Die Stadt grenzt südlich an den Ohio-Fluss, und die anderen Seiten sind umgeben von Bergen, auf denen jeweils kleine Ansiedlungen entstanden sind.
      Es ist hier - entgegen anderer Städte in Amerika - sogar erlaubt, zu jeder Jahreszeit Vieh und Schweine durch die Straßen zu treiben. Es riecht dann zwar, aber das verursacht keinen Schaden. Die Kühe geben hier übrigens viel Milch, eine Viertel Gallone kostet hier weniger als 10 Cent. Es ist außerdem erstaunlich, dass es hier in Cincinnati keine Straßenbeleuchtung und auch keinen Nachwächter gibt. Und was mich noch mehr erstaunt, ist die Tatsache, dass es hier keinen Schornsteinfeger gibt. Wenn man seinen Schornstein reinigen will, füllt man den Herd mit Stroh oder Hobelspänen und brennt den Schornstein aus. Die Dächer sind aus Holzschindeln, und man kann sich denken, dass das oft zu Bränden führt. Das Klima hier ist in bezug auf Deutschland nur geringfügig abweichend. Es ist hier jetzt im Winter genauso kalt wie in Deutschland zu dieser Jahreszeit. Das Wetter ist aber wechselhafter hier, wir haben damit aber bislang keine gesundheitlichen Probleme gehabt.
      Vielen Deutschen fehlt es hier an Mangel von Weitsicht, denn das Trinken von starkem Whisky wird sie sicherlich in ein frühes Grab bringen, denn Getränke wie Bier, Brandy und Rum kauft man am billigsten in großen Mengen. Trinkst Du aber in einer Taverne oder unterwegs bei den Tavernen an den Haltestationen der Postkutsche, zahlt man 25 Cents für ein Glas Rum, ein Kaffee mit warmem Essen kostet dort 50 Cents, obwohl das Fleisch sonst sehr billig ist und man beim Schlachter einen Korb voll Fleisch schon für weniger als 12 Cent bekommen kann. Woll- und Leinensachen sind hier sehr teuer, Sommerkleidung ist ähnlich teuer wie in Deutschland.
      Hier in Cincinnati werden täglich Sklaven-Auktionen abgehalten, die Preise sind beachtlich gesunken, weil wegen der weiter steigenden Anzahl von Sklaven eine Steuer von 100 Dollar je Sklave zu zahlen ist. Ein Mann, der gewillt ist, zu arbeiten, kann entweder in der Stadt, auf den Farmen, an der Straße, an den Kanälen Arbeit finden, oder er macht sich selbständig und verdient gutes Geld, für das er sich dann Land kaufen kann. Im allgemeinen sind die Löhne, die hier gezahlt werden, höher als in Deutschland und werden für den Arbeiter weiter steigen, so lange die Regierung fortfährt, große Summen in den Straßen- und Kanalbau zu stecken. Der sicherste und leichteste Weg, zum täglichen Brot zu kommen, ist auf den Bauernhöfen. Eine Düngung ist nicht erforderlich, und auf das wachsende Getreide braucht man nur ein wenig achten. Mit so wenig Arbeit wächst genau so viel Korn heran wie auf unseren kultivierten und mühsam fruchtbar gemachten Äckern in Deutschland. Der durchschnittliche Lohn, den die Arbeiter am Kanal verdienen, beträgt 12 bis 15 Dollar mit Verpflegung je Woche. Diejenigen, die Holz sägen und in den Fabriken arbeiten, verdienen 75 Cent bis zu einem Dollar am Tag. Man sollte nicht zu der Folgerung kommen, dass die Arbeit hier leichter ist als in Deutschland. Die, die Arbeit haben, leben gut. Sie haben täglich gesalzenes Schweinefleisch und essen jeden Tag das beste Weißbrot. Viele Arbeiter wären auch in Deutschland in der Lage gewesen, ihr tägliches Brot zu verdienen. Und so ist es hier auch mit vielen jungen Männern aus der Nachbarschaft, die ich hier kennen gelernt habe. Viele haben aber in der Zeit, wo ich jetzt hier bin, noch nicht einen Cent verdient und müssen zuguterletzt noch 2,50 Dollar für Unterkunft und Verpflegung zahlen. Sie haben kein sauberes Zeug, und das wenige Geld, das irgendwann verdient wird, muss für andere notwendigeren Sachen verwandt werden. Die Gesundheit leidet außerdem an der zeitweise ungewohnt schweren Arbeit, und Ärzte und Medizin sind sehr teuer, und es ist erforderlich hierfür erhebliche Summen zu zahlen. So oder so sollte man lernen, auf die in der Heimat liebgewonnen Gewohnheiten verzichten.
      Der Auswanderer muss nicht glauben, dass er hier dieselbe sichere, gewohnte Umgebung und soviel Vergnügungen vorfindet wie in Deutschland. Der Unterschied liegt im Charakter und in der Art und Weise, wie der Amerikaner und der Deutsche lebt. Der erste ist zurückhaltend, der Letztere offenherzig. Der erste redet wenig und der letztere redet gerne. Der Letztere sitzt, nachdem die Arbeit beendet ist, gern für eine Zeit zu einer guten Unterhaltung am Tisch, um gemütlich das Essen zu sich zu nehmen, während der Erste an den Tisch heranstürzt, das Essen ohne ein Wort verschlingt, danach schnell aufsteht und sich hinter den Ofen oder an ein Feuer setzt, die Beine ausstreckt, für Stunden Zigarre rauchend den Kopf hängen lässt und nicht einmal drei Worte von sich gibt.
      Nach alledem nun Geschriebenen will man in der Heimat natürlich meine Meinung dazu hören, ob ich nun für die Auswanderung spreche oder dagegen bin. Aber ich kann diese Frage nicht so einfach beantworten, so dass sich jemand auf meine Aussagen verlassen kann, ob nun die Zukunft für jeden einzelnen Glück oder Verhängnis bringen kann. Ich kann auf keine Einzelheiten eingehen und möchte nur ein paar wenige Worte als Antwort geben. Was ich gesehen und erfahren habe, darüber habe ich gemäß meinem Versprechen akkurat berichtet, ohne unliebsame Ereignisse und Punkte zu verbergen, so dass jeder für sich selbst entscheiden sollte, welchen Weg er einschlagen will.
      Ich fühle mich deshalb auch zur Korrektur einiger Fehler, Übertreibungen und Unwahrheiten verpflichtet, die in einigen uns allseits bekannten Briefen standen und in unserem Dorf in Deutschland zirkulierten und möchte hierzu Stellung beziehen. Stallo ist hier im vergangenen Sommer an Cholera gestorben. Er wird hier von einigen Personen zu recht kritisiert, denn er irrt sich. Er sagt beispielsweise, dass Cincinnati mehr als 40..000 Einwohner hat, und er irrt sich noch mehr, wenn er sagt, dass hier innerhalb von zwei Jahren 1.000 neue Häuser gebaut worden sind. In ganz Cincinnati gibt es gerade einmal 2.000 Häuser. Und wenn er sagt, dass er 800 Dollar an der Schule verdient, so darf das angezweifelt werden, denn ich bin mir sicher, dass er eher Verluste als Gewinne vorweisen kann. Wieviel Wahres in dem Brief von Fordan liegt, den ich bekam, als ich noch in Deutschland war, könnt ihr beim Nachfolgenden entscheiden. Sobald wir in Baltimore waren, haben wir uns nach ihm erkundigt, und G.H. Mehrmann erzählte uns, dass er mit Fordan im vergangenen Sommer in Fredrickstown am Straßenbau gearbeitet hat und er ihn wissen ließ, dass er mittlerweile in Amerika besser zurecht kommt als anfangs.. Als wir durch Fredrickstown fuhren, sahen wir Fordan bei der Arbeit, und wir konnten lediglich seiner Frau im Vorbeifahren „Guten Tag“ sagen, weil der Kutscher nicht halten wollte.
      Eine große Lüge sind die Prahlereien von Hedem aus Quakenbrück, der behauptet hatte, er habe hier ein schönes und großes Grundstück. Er arbeitet aber nur auf einem Dampfboot in New Orleans. Kurz gesagt: Denen, die einladende und prahlende Briefe in die Heimat schicken, geht es hier am schlechtesten. Hier, genauso wie in Deutschland, zeigt man sich scheinbar wohlhabend, und diejenigen, die hier 12 Dollar verdienen, sagen, dass sie 15 Dollar verdienen. Bei vielen ist das auch Unerfahrenheit. Diejenigen, die aus kleinen Dörfern in Deutschland stammen und hier zum erstenmal Maschinen sehen, meinen, dass es etwas Gleichartiges in Europa nirgends gibt. Aber in den Städten Europas sieht es genauso aus wie hier.
      Dies mag für jetzt genügen. Sobald wir von unserem Ausflug ins Landesinnere von Ohio, den wir in der nächsten Woche planen, wieder zurück sind, werde ich mehr schreiben. Mit den herzlichsten Grüßen an meine liebe Mutter, Brüder und Schwestern, Bekannte, Verwandte und Freunde verbleibe ich

      Euer treuer und aufrichtiger Sohn

      Josef Boehmer

      Meine Adresse
      Mr. H. Josef Boehmer wohnhaft bei
      Herrn Franz Fortmann
      Maryland Coffee House
      Cincinnati, Ohio, North America

      PS: In einem Brief von Arend Gäking sagt dieser:“ Habe gerade Antwort von Fr. und A. von Lehmden sowie von Fr. H. Buch bekommen, die seit zwei Tagen in Pittsburg sind. Ihnen geht es allen gut und sie verdienen 10 Dollar im Monat mit Verpflegung.“
    Beruf Lehrer, Kaufmann, Sägemüller, County Commissionair, Friedensrichter, Landtagsabgeordneter und neun Jahre Mitglied im Repräsentantenhaus für Putnam County, OH 
    Religion RK 
    Einwanderung 10 Dez 1833  Baltimore, Baltimore, MD, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [7
    Schiff "Leontine" 
    Wohnort 1850  Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [2
    Gestorben 8 Dez 1868  Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [8
    Begraben nach 8 Dez 1868  Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [9
    Stelle: Saint Joseph Cemetery 
    Personen-Kennung I61516  OGF Auswanderer
    Zuletzt bearbeitet am 11 Jul 2021 

    Vater Böhmer, Bartholomäus,   geb. Rulle, Wallenhorst, OS., NI, D Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Mutter Nordlohne, Maria Anna *Catharina 
    Verheiratet 26 Jan 1796  Lohne / Lon., Lohne, VEC, NI, D Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [10, 11
    Familien-Kennung F12497  Familienblatt  |  Familientafel

    Familie 1 Wellmann, Anna *Maria Gertrud,   geb. 25 Mrz 1820, Langförden / Lgf., Vechta, VEC, NI, D Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort,   gest. 2 Nov 1858, Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  (Alter 38 Jahre) 
    Verheiratet 6 Aug 1837  ..., Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [12
    Kinder 
     1. Boehmer, Amos,   geb. 25 Okt 1838, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort,   gest. 31 Aug 1909, Ottawa, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  (Alter 70 Jahre)
     2. Boehmer, Louis,   geb. errechnet 1840, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
     3. Boehmer, August,   geb. errechnet 1842, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
     4. Boehmer, William,   geb. 15 Aug 1846, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort,   gest. 5 Dez 1922, Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  (Alter 76 Jahre)
     5. Boehmer, Mathilda,   geb. errechnet 1847, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
     6. Boehmer, Joseph,   geb. errechnet Jun 1850, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
     7. Boehmer, Hermann,   geb. errechnet 1854, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
     8. Boehmer, Franz,   geb. errechnet 1858, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort,   gest. 30 Mrz 1858  (Alter 0 Jahre)
    Zuletzt bearbeitet am 15 Aug 2013 
    Familien-Kennung F12499  Familienblatt  |  Familientafel

    Familie 2 Discher, Rosa 
    Verheiratet 3 Feb 1861  ..., Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [12
    Kinder 
     1. Boehmer, John F.,   geb. 23 Jan 1862, Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort,   gest. 18 Apr 1937, Columbus, Franklin, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  (Alter 75 Jahre)
     2. Boehmer, N.N.,   geb. um 1864, Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort,   gest. um 1864, Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  (Alter 0 Jahre)
     3. Boehmer, Frank H.,   geb. 1866,   gest. 30 Okt 1869  (Alter 3 Jahre)
     4. Boehmer, Laura B.,   geb. 8 Aug 1868, Fort Jennings, Putnam, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort,   gest. 19 Feb 1941, ..., Allen, OH, USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  (Alter 72 Jahre)
    Zuletzt bearbeitet am 11 Dez 2018 
    Familien-Kennung F12500  Familienblatt  |  Familientafel

  • Ereignis-Karte
    Link zu Google MapsGeboren - 16 Nov 1807 - Vechta / Vec., Vechta, VEC, NI, D Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsGetauft - 17 Nov 1807 - Vechta / Vec., Vechta, VEC, NI, D Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsAuswanderung - 1833 im Verzeichnis der aus dem Amte Steinfeld nach America ausgewanderten Individuen - 11 Okt 1833 - Bremerhaven / Brh., Bremerhaven, HB, D Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsBiographie - Reisebeschreibung - Dez 1833 - Cincinnati, Hamilton, OH, USA Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsEinwanderung - Schiff "Leontine" - 10 Dez 1833 - Baltimore, Baltimore, MD, USA Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsVerheiratet - 6 Aug 1837 - ..., Putnam, OH, USA Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsWohnort - 1850 - Fort Jennings, Putnam, OH, USA Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsVerheiratet - 3 Feb 1861 - ..., Putnam, OH, USA Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsGestorben - 8 Dez 1868 - Fort Jennings, Putnam, OH, USA Link zu Google Earth
    Link zu Google MapsBegraben - Stelle: Saint Joseph Cemetery - nach 8 Dez 1868 - Fort Jennings, Putnam, OH, USA Link zu Google Earth
     = Link zu Google Earth 
    Pin-Bedeutungen  : Adresse       : Ortsteil       : Ort       : Region       : (Bundes-)Staat/-Land       : Land       : Nicht festgelegt

  • Quellen 
    1. [S1643] Kirchenbuch Vechta (katholisch), https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/vechta/vechta-st-georg/KB05_01/?pg=26.

    2. [S21275] United States Federal Census 1850.
      in familysearch verlesen als Bochmer

    3. [S21136] Bremer Passagierlisten, (www.passagierlisten.de).

    4. [S5] NLA Oldenburg, Bestand 70, NLA OL, Best. 70., Nr. 6009.
      Verzeichnis der aus dem Amt Steinfeld nach Amerika ausgewanderten...

    5. [S21509] Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland, Jahrgang 1998, 2000.

    6. [S2263] Auswanderung aus dem Oldenburger Land in die USA, Oltmanns, Dirk u.a., S. 70-95.

    7. [S21265] Baltimore Immigrations.

    8. [S21315] www.chroniclingamerica.loc.gov, http://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn85038121/1868-12-24/ed-1/seq-3/#date1=1836&index=1&rows=20&words=Vechta&searchType=basic&sequence=0&state=&date2=1922&proxtext=vechta&y=0&x=0&dateFilterType=yearRange&page=1.
      Gallipolis Journal (Gallipolis, Ohio), 24. Dec. 1868
      Hon. Henry J. Boehmer, member of the Ohio Legislature, diet at his residence at Fort Jennings, Putnam County, on the 8th inst., in the 61st Year of his Age. He served theree Terms in the Legislature. He was born at Vechta, Oldenburg, Germany, on the 17th of November, 1807, and came to this country in 1833. In July, 1834, he came to Fort Jennings, in Putnam County, at which place he resided until his death. His successor will be elected December 31st.

    9. [S6148] www.findagrave.com, https://www.findagrave.com/memorial/182248204/henry-j_-boehmer.

    10. [S1643] Kirchenbuch Vechta (katholisch), https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/vechta/vechta-st-georg/KB04_02/?pg=44.
      Dimission am 26 Jan 1796

    11. [S21178] Kirchenbuch Lohne, https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/vechta/lohne-st-gertrud/KB06_01/?pg=32.

    12. [S21485] Ohio Marriages.